Kerbe in Harxheim


von Esther

04.06.-8.06.10 Kerbe in Harxheim

Gefühlter Hochsommeranfang. Ausnahmezustand für Kinderherzen und Elternnerven.
Für die Mädels gilt es das Kerbegeld strategisch richtig aufzuteilen: zwischen Fadenzieher-Moni, Süßigkeitenstand, Schießstand, Autoscooter und Kinderkarussell. Fadenzieher-Moni ist aber eigentlich immer die erste Wahl für die Mädels. Dort gilt es Punkte zu sammeln um sich „hochwertige“ Plüschtiere, Polly-Pocket-Puppen, Plastik-Aquarium-Lampen u.ä. zu erobern. Wirtschaftlich betrachtet absolut desaströs, aber es gibt Dinge die entziehen sich gänzlich einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Außerdem ist Fadenzieher-Moni eine Institution und eine wahre Seele.

Ben hat noch kein Kerbegeld und für ihn geht es darum die strategisch richtige Balance zwischen Einfach-mal-Fragen, Betteln, Jammern, Mitleiderregen, Fordern, Quängeln zu finden, um den genervten Eltern jeden Tag aufs Neue die größtmögliche Menge an Euros abzuziehen. Er wählt immer zunächst den Süßigkeitenstand. Nur er verputzt einen handtellergroßen Lutscher wie eine Schnitte Brot (also abbeißen-kauen-weg…). Nach ca. 15 Runden Karussell, die uns den Finanzplan unserer kleinen DHH durcheinanderbringen, lässt sich die wahre und eigentliche Sehnsucht nicht länger wegdrücken: Auto-Scooter.

Die Eltern sagen unverständlicherweise „Nein“. Aber echte, tiefe Sehnsucht lässt sich auch durch stundenlanges an der Bande rumlungern und Nur-Zuschauen nicht wirklich stillen. Schließlich wird er promiskuitiv: Alle ihm bekannten Erwachsenen (und er kennt eigentlich alle im Ort) werden mit seiner brüchigsten Stimme und seinem erbarmungswürdigsten Dackelblick angemacht: „Fährst DU mit mir ???“ Schnief. Stefan hat sich schließlich erbarmt… Jetzt sind alle Dämme gebrochen.
Die Kerbe geht noch drei Tage. Wir trinken dabei möglichst viele Weinschorlen.


12 Antworten zu “Kerbe in Harxheim”

  1. Das wäre fein !! Für Ben und für uns.

    Leider hat das mit den begleitenden Fotos nicht geklappt. Das müsst Ihr mir nochmal erklären.

  2. Hey, das weckt bei mir die alten erinnerungen an den jahrmarkt – autoscooter – der hammer. da waren doch immer die super coolen jungs mit den langen fahr chips die dann die scooters wieder an den platz zurueckgefahren haben – und dabei ware die immer sooooo cool – zum totlachen.

    Jou so ein sommertag mit weinschorle und doedel wuerde mir auch gefallen

  3. @Esther: Also, bei mir hätte Ben auch leichtes Spiel gehabt. Mir bricht ja schon fast das Herz wenn ich diese Fotos sehe.

    @Roland: Jaja, auf diese supercoolen Jungs wart ihre kleinen Hosenscheißer warscheinlich neidisch, weil alle Mädels auf die abgefahren sind 😉

  4. B. ist ein kleiner Verbrecher und hätte Dich definitiv um den Finger gewickelt, Gudrun. Ich muss aufpassen, dass er nicht mal der gesuchte junge Mann zum Mitreisen wird (Abenteuer, Freiheit, weite Welt..)

    Die „Boxauto“(so hiess das damals bei uns) – Jungs waren damals selbstverständlich große Klasse und viel spannender als die Meisten… Und schließlich haben wir unser Beuteschema mit den Jahren ja durchaus noch etwas differenziert, gell Gudrun?

  5. @ Ester -das hoffe ich doch – da ich das Gefuehl nicht loswerde, dass diese Boys doch etwas simple minded waren

    @ Gudrun – klar (grummel, grummel) waren wir auf diese Pappnasen neidisch – mit so Wenig so viel Erfolg zu haben war schon der Hammer……

  6. -> Roland – einen Sonntag mit Weinschorle und Dödel mag ich mir auch gut vorstellen, selbst würde ich das Haus nur ungern ohne das vielleicht „maskulinste“ Körperteil verlassen,
    trotzdem überkommt mich hier das Gefühl, dass es da semantische Verschiedenheiten gibt.

    Das Konzept „alles außer Hochdeutsch“ ist mir – als Mann aus dem hannoveraner Raum – eventuell nicht ganz so zugänglich 😉 .

    Allgemein: „Kerbe“?
    Nach eingehender anthropologischer Arbeit im kurpfälzer und pfälzer Raum dachte ich, dass „Kerwe“ das Ding wäre.
    O mei.

  7. Henning – ach weisst Du, Du kannst das vielleicht „maskulinste Koerperteil“ auch gerne einen Doedel nennen wenn Du das magst. Hier war mit Doedel – einfach „Mist“ oder Unsinn im weitesten Sinn gemeint (Mist machen, Mist essen, Mist kaufen… Alles was man halt so auf einem Jahrmarkt, auf d’r Mess, d’r Kerwe – halt so macht). Man kann einen Typen (e.g. Spinner, Kasper, Bloedel) zu meiner Kenntnis auch „Du Doedel“ nennen – das heisst dann nicht das er nur aus diesem besagten Koerperteil besteht….. – In der Tat die sueddeutschen Wurzeln (um genau zu sein Unterfraenkische) lassen sich nicht ganz verleugnen gelle.

    So vom Gefuehl her haette ich auch „Kerwe“ gedacht, aber da es sich hier um den kurpaelzer/paelzer Raum handelt ist das natuerlich weit ausserhalb meiner Mundartpraegung und entzieht sich so meiner Kenntnis. Meine Mundartpraegung hatte ich lediglich um das „Badische“ erweitern koennen als ich doch viele Jahre im Breisgau weilte. Wobei ich hier nicht ganz sicher bin ob es auf rein „badisch“ beschraenkt oder auch noch etwas „badensisch“, „allemannisch“, „Basler Duetsch“ sowie „Markgraefler Laendisch“ mit eingeflossen ist 😉 .

  8. Kerwe ist glaube ich eher pälzerisch. Wir sind aber Rheinhessen ! (Rhoihesse – also ich nicht wirklich, aber immerhin seit 15 Jahren). Und eigentlich sagt man hier : Haschemer Kerb!

    Noch kurz zum Boxauto-Thema: Die Scooter-Jungs verbrämten ihre simple-minds jedenfalls nicht. Da weiss man was man einkauft. Dagegen versteckt sich so manches simple-mind hinter teurem Anzug, akedemischen Titeln oder den jeweils gerade angesagten intellektuellen Statussymbolen – wie man merkt, wenn man ein großes Mädchen geworden ist.

  9. Sorry, mein Fehler,
    tatsächlich führt sogar der Duden die von mir verstandene Dödel-Variante, die sich auf „Himmel“ reimt, als „ugs., nordd.“.
    Dödel in der Bedeutung „Doofmann“ geht natürlich auch,
    Dödel als „Unsinn“ war mir neu.
    Live and learn.

    Wir haben ja selbst mal in einem Vorort von Heidelberg gelebt,
    da gab es die eigentlich „Handschuhsheimer Kirchweih“
    als „Hendsemer Kerwe“, mitsamt eines launigen Jahresrückblicks, den man ob seiner Mundartlichkeit gar nicht verstehen konnte.

    Die Chancen für Kulturschocks sind in dieser Gegend ja vielfältig.
    Ich fand’s mal sehr launig, wie ein paar angereiste (20km) Pfälzer auf der Weinlagenwanderung der Hessischen Bergstraße extrem verdutzt waren, dass es da keinen Wein in Dubbegläsern, sondern in 10cl-Probiergläschen gab.

  10. Mir blieb ja die Kupferzeller Kirchweih, mundartlich „Kupferzeller Kärwe“, im Gedächtnis (http://stimme.sapp1.fidion.de/hohenlohe/nachrichten/oehringen/sonstige;art1921,1655677). Nicht nur, daß hier die Boxautofahrbahn mitten im Ort aufgebaut wurde, was mich damals schon sehr beeindruckte, nein auch der traditionelle Verzehr der halben Göckele beim „Fritschie“ sind fest in meiner Erinnerung verankert. Beim Fritschie gab es auch einen Geldspielautomat. Heutzutage füllen die Dinger die „Spielkasinos“ der übel beleumundeten Einfallschneisen sämtlicher Städte mit mehr als 535 Einwohnern dieser Republik. – open 23 h a day.
    Später wurde der Fuhrpark dann am Sportplatz aufgebaut. Logistisch für die Fahrgeschäfte sicher einfacher, aber die Orginalität der Veranstaltung hat dadurch merklich gelitten.
    Die Eschelbacher Kärwe hingegen findet
    a.) erst im Oktober statt und kommt
    b.) gänzlich ohne Fahrgeschäfte aus.
    Der Eschelbacher konzentriert sich ganz und gar auf die wesentlichen Dinge.

    Essen – Hasen- und Hirschbraten, Rehkeule, Göckele halb und ganz
    Trinken – die Reste was die Fässer noch hergeben.

    Die Lager mußten leergetrunken werden für die neue Ernte.
    Hier macht man sich also ohne schmückendes Beiwerk oder merkantilem Tand und mit allem gebotenen Respekt an eine große Aufgabe. Trinken, stoisch, mitunter bis zur Besinnungslosigkeit, aus Verantwortung für das Wohl der weinerzeugenden Gemeinschaft.
    Es bleibt nicht aus, das der eine oder andere sein Vorhaben im Laufe der Veranstaltung zum Kotzen findet.

  11. @ Haase: Bei Euch im Süden ist es irgendwie Kärwe-mäßig netter: „Die Lager mußten leergetrunken werden…“, daß zeigt doch schon mal ein gewisses Verantwortungsgefühl gegenüber dem Großen, Ganzen. Bei uns Nordhessen gibt’s sowas nicht. Die Wehlheider Kirmes hat zwar Kultcharakter, auch wenn ich noch immer nicht verstehe, warum. An den Autoscootern kanns nicht liegen. Da habe ich zwar auch einmal in meiner Jugend mein komplettes Taschengeld versenkt, aber nicht wegen der Jungs. Und heutzutage ist es da nur noch laut. Eigentlich kann man die Wehlheider Kirmes getrost vergessen. Bier bekommt man überall, und überall in schönerem Ambiente.

    Und halbe Göckele gibt es bei uns auch nicht. Auch keine unprosaischen halben Hühner. Kann mich jedenfalls nicht entsinnen. Trauriges Kassel, schnief!

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